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Ein Praktikumsbericht aus dem Bundestag

In den letzten drei Monaten wurde mein Berliner Büro vom Praktikanten Luis unterstützt, der im Folgenden seine Eindrücke aus der Zeit schildert:

„In meinem Studium des Bauingenieurwesens hat die politische Auseinandersetzung mit den Studieninhalten kaum eine zentrale Rolle eingenommen. Natürlich wurde die ökologische Verantwortung des Bauwesens mit seinem enormen ökologischen Fußabdruck und ressourcenintensiven Prozessen genauso angerissen wie die gesellschaftliche Herausforderung der Branche, ausreichend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Für mich nehmen diese politischen Rahmenbedingungen aber eine relevante Rolle meines Berufsbildes ein, was in mir den Wunsch nach einem Einblick in die politischen Prozesse weckte und in einer Bewerbung um ein Praktikum bei Anja Liebert mündete.

Als ich in Berlin ankam, wurde mir schnell klar: Aktuell steht die Baukrise im Vordergrund. Die Zahl der Baufertigstellungen und ausgestellter Baugenehmigungen sinkt, gebremst durch Preissteigerungen, Materialknappheit und Fachkräftemangel. Gleichzeitig explodieren die Mieten in den Städten, während auf dem Land ein Umgang mit Leerstand und nachlassender Grundversorgung gefunden werden muss. Inhaltlich war mein Einblick hier in Berlin also von der Frage geprägt, wie man die Branche wieder ankurbeln kann, dabei aber auch ökologische Fortschritte erzielt und soziale Komponenten wie bezahlbare Mieten nicht vernachlässigt – und das alles vor dem Hintergrund einer schwieriger werdenden Haushaltssituation des Bundes.

Während die Abgeordneten und ihre Teams also an politischen Maßnahmen arbeiteten, um diese Frage zu beantworten, merkte ich schnell: Der Alltag einer Abgeordneten hat es ganz schön in sich. Während Anja in den sitzungsfreien Wochen Termine im Wahlkreis wahrnimmt, mit Bürger*innen, Unternehmen oder Kommunalpolitiker*innen, konnte ich vor allem Einblicke in die Sitzungswochen in Berlin gewinnen.

Wie läuft eine Sitzungswoche ab?

Los ging die Woche jeden Montag mit einem Teammeeting, in der die kommende Woche vorbereitet und alle Termine besprochen wurden. Im Anschluss ging es in die AG, denn Anja ist Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen (WSBK). In der AG-Sitzung treffen sich die grünen Abgeordneten, die Mitglied in diesem Ausschuss sind, um die Inhalte der nächsten Ausschusssitzung zu diskutieren, Redebeiträge zu verteilen und langfristige Planungen zu besprechen.

Der Verlauf des Montags ist geprägt von weiteren Fraktionsgremien. Abgeordnete treffen sich in unterschiedlichen Konstellationen in den Landesgruppen, in den Fachbereichen und in anderen Runden. Was ich schnell gemerkt habe: Bei diesen Terminen geht es um mehr als einen lockeren Austausch, vielmehr spürt man den Tatendrang der Abgeordneten für eine sozial-ökologische Politik an jeder Stelle. Es geht um langfristige Ziele, politische Strategien und erfolgreiche Kommunikation.

Neben dem Bauausschuss ist Anja seit einiger Zeit auch Mitglied im Tourismusausschuss; die zugehörige AG trifft sich am Dienstag. Besonders spannend ist am Dienstag die Fraktionssitzung, in der sich alle Abgeordneten in ihren jeweiligen Fraktionen treffen, um die Themen der Plenarsitzungen zu besprechen und zu diskutieren.

Am Mittwoch geht es dann in die interfraktionelle Arbeit. Zunächst finden die Ausschüsse statt, für Anja also der Bauausschuss und der Tourismusausschuss. Und wenn zwischen den ganzen Terminen etwas Zeit bleibt, müssen Abgeordnete auch mal in anderen Ausschüssen einspringen, falls ein*e Kolleg*in zum Beispiel krankheitsbedingt fehlt.

Mittwochmittag beginnt dann die Plenarsitzung im Reichstag – insgesamt um die 30 Stunden Plenum gibt es jede Woche, verteilt auf Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Jede*r Abgeordnete*r muss eine gewisse Stundenzahl im Plenum verbringen, damit immer eine ausreichende Anzahl an Abgeordneten anwesend ist. Natürlich kann keine Abgeordnete 30 Stunden im Plenum sein – denn viel inhaltliche Arbeit läuft außerhalb der Plenarsitzungen. Abgeordnete gleicher oder verschiedener Fraktionen beraten Gesetzesvorhaben, diskutieren neue Ideen oder tauschen sich zu Anliegen aus, die ihnen von außen zugetragen wurden.

Denn auch das ist Teil der Sitzungswoche: Gespräche mit Stakeholdern, also Verbänden, Unternehmen und Vereinen, ob früh morgens, am Nachmittag oder am Abend. Bei zahlreichen Veranstaltungen, Briefings und Empfängen nehmen Abgeordnete Feedback und Input für die politische Arbeit auf und erklären dem Fachpublikum gleichzeitig ihre Entscheidungen.
So kann man am Ende jeder Sitzungswoche bilanzieren, dass der Zeitplan der Abgeordneten eng getaktet war, aber dafür auch viel inhaltliche Arbeit gelungen ist!

Die Chance, Anja bei vielen Terminen zu begleiten, hat mir einen spannenden Einblick in die politische Arbeit gegeben.

Nachhaltige Stadtentwicklung als Ziel

Und was bleibt inhaltlich? Die zugrundeliegenden Probleme der Baukrise sind enorm komplex. Zahlreiche politische Maßnahmen liegen auf dem Tisch, wurden bereits beschlossen oder auch schon umgesetzt. Alle Ziele miteinander zu vereinen, praxistaugliche Lösungen zu finden und die so drängenden Herausforderungen der Branche zu lösen, bestimmt den Alltag der Abgeordneten und ihrer Teams!

Ich konnte mich für knapp drei Monate davon überzeugen, wie intensiv und mit wie viel Herzblut sich die grünen Abgeordneten dafür einsetzen, den Bedarf an bezahlbaren Wohnraum zu stillen, den richtigen Umgang mit dem (Alt-)Bestand zu finden und eine zukunftsgerechte Stadtentwicklung zu gewährleisten; unter besonderer Beachtung der Klimaziele und der begrenzten Ressourcen!